Impuls der Kolpingsfamilie am Sonntag 23.01.2022: Wenn das Herz wandert

Bild: Conny Nagel

"Wenn dein Herz wandert oder leidet,
bring es behutsam an seinen Platz zurück und
versetze es sanft in die Gegenwart Gottes.
Und selbst wenn du in deinem Leben nichts anderes getan hast,
außer dein Herz zurückzubringen und
wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen,
obwohl es jedes Mal wieder fortlief,
nachdem du es zurückgeholt hattest,
dann hast du dein Leben wohl erfüllt."


Diese Worte von Franz von Sales (1567-1622) gehören seit vielen Jahren zu meinem geistlichen Proviant. Sie tun mir gut – erst recht in solch bewegten Zeiten, wie wir sie gerade erleben.

Die Pandemie dauert an und geht schon ins dritte Jahr. Die Stimmung ist angespannt. Dann ist diese Woche das Missbrauchsgutachten aus München-Freising erschienen. Auch Papst em. Benedikt hat vertuscht und will es nicht wahrhaben, was ihm nachgewiesen wurde. Dies sorgt für die nächste Welle von Kirchenaustritten. Die politischen Machtkrisen um Länderzugehörigkeiten bzw. Eigenständigkeiten erfordern höchstes diplomatisches Geschick. Und dann die Bedrohungen des Klimawandels, die vielen Menschen auf der Flucht, die Situation von Frauen in Afghanistan, …

Da wandert und leidet mein Herz, da kommt es nicht zur Ruhe. Da sind dann viele Fragen. Da ist die Not, die eigenen Grenzen des Handeln-könnens zu spüren. Hinausschreien möchte ich, wenn ich auf Uneinsichtigkeit stoße, wenn ich puren Machtegoismus wahrnehme, wenn die Solidarität unter Menschen in der Pandemie leidet, wenn wenn wenn …

Da bin ich dann froh um Gottes Botschaft:
„Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihnen Gott sein und sie werden mir Volk sein.” (Jeremia 31,33)
Wir begegnen Gott in unserem Herzen. Immer wieder Innehalten, um Unsicherheiten und das Quälende auszuhalten – und um zu spüren, dass unser Gott mit uns ist und nicht nur unter uns, sondern in uns lebt – daraus beziehe ich Kraft und Energie. Dann wird unser Herz weit werden und es wird immer wieder zurückkommen. Wir werden unsere Mitte spüren und Gottes Weg mit uns.

Franz von Sales kannte diese Erfahrung wohl gut, dass das Herz immer wieder Ausflüge macht und eigene Wege sucht. Und er machte wohl auch die Erfahrung, dass es nichts Besseres gibt als das eigene Herz mit Gott zu verbinden, Gott drinnen wohnen zu lassen und zu spüren, wie sich meine Sicht auf die Gegebenheiten dieser Zeit vielleicht verändert und mir eine ungeahnte Weitsicht zuwächst. 

Einen gesegneten Sonntag.

Text: Claudia Hofrichter