Impuls der Kolpingsfamilie zum 25. September 2022: Konzil von unten

Foto: C.Hofrichter

Über 300 Teilnehmende, auch einige Ergenzinger darunter. Gute Stimmung – in der Natur der Sache liegend eine eher 60+Veranstaltung. In dieser Generation, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil eine viel größere Dynamik erwartete als es dann möglich wurde, trägt den Geist einer Kirche, die sich immer weiterentwickelt noch in sich. Dabei waren die Vielen, die sich seit Jahrzehnten in Kirchengemeinden und Verbänden engagieren, und die spüren, wie sehr ihre Geduld und ihre Kraft strapaziert werden von der Uneinsichtigkeit der Kirchenleitungen, dass unsere Kirche nur noch zu retten ist – sprich weiterhin in der Gesellschaft und bei ihren Mitgliedern Relevanz hat - ,wenn sie ihren Reformstau wahrhaftig angeht.

Die Initiative „Konzil von unten“ (https://www.konzil-von-unten.de)  wird getragen von der AGR = Arbeitsgemeinschaft Rottenburger Priester und Diakone (https://www.aktionsgemeinschaft-rottenburg.de), vom Katholischen Deutschen Frauenbund (https://www.frauenbund.de) , Pro Concilio (https://www.pro-concilio.de) und dem BDKJ (https://www.bdkj.info/fileadmin/BDKJ/bdkj-dioezesanstelle/DiV/DiV_Maerz_2019/Beschluss_3_Konzil_von_unten.pdf) . Viele Verbände und Gruppen wie Maria 2.0 unterstützen die Anliegen. So war ich vom Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart des Kolpingwerkes delegiert worden. Ich traf dann auch weitere Kolpinggeschwister beim Konzilstag.

Momentaufnahmen zur Lage der katholischen Kirche und der Zwischenruf junger Menschen, was sie sich für eine Kirche wünschen, eröffneten den Konzilstag. Für junge Menschen ist die Gleichberechtigung eines der wichtigsten Themen, die anzugehen sind, um glaubwürdig zu bleiben.

Professorin Dr. Johanna Rahner stellte in ihrem Vortrag die Frage „Brauchen wir eine neue Kirche?“ Sie erörterte uns die Notwendigkeit von Reformen und die Chancen eines neuen Weltkonzils. Sie machte deutlich, dass es um das Zeugnis des Glaubens in einer säkularen Welt geht. Den Gegnern jeder kirchlichen Strukturdebatte schrieb sie ins Stammbuch, dass Strukturdebatten zutiefst theologische Debatten sind, wie sie durch die Entwicklung der Kirche immer wieder geführt werden mussten. Entscheidend für die Kirche der Zukunft wird sein, wie sehr sie Demokratie und damit partizipativ und beteiligungsorientiert lebt und handelt. Johanna Rahner gab den Konzilsteilnehmenden vier Empfehlungen mit:

  1. Vernetzen Sie sich national und international. Und tun Sie das auch sprachlich. Übersetzen Sie ihre Diskussionstexte in andere Sprachen, denn deutsch spricht man nur bei uns.
  2. Schmieden Sie strategische Allianzen mit den Bischöfen, die weitergehen wollen, und mit Personen des öffentlichen Lebens.
  3. Machen sie auch sich eine Graswurzelbewegung, die störend interveniert und mit Gemeinden in den Dialog geht.
  4. Hören Sie auf, brav zu sein. Seien Sie hartnäckig.

Die Statements von Mitarbeitenden in verschiedenen kirchlichen Kontexten bestätigten einerseits, dass Engagement in der Kirche sich lohnt, und andererseits deren enorme Reformbedürfigkeit.

Zentrum des Tages war dann die Abstimmung des Rottenburger Manifests „Reformen jetzt!“, das von allen Konzilsteilnehmenden bestätigt wurde. - Text untenstehend - Dieses Manifest wurde Bischof Dr. Gebhard Fürst übergeben, der die Konzilsteilnehmenden dann aufrief, eine schöpfungsfreundliche Kirche zu sein.

Eine Demonstration mit Plakaten  zum Dom und die Domumarmung schlossen sich an, sowie die Feier der Eucharistie im Dom, bei der die partizipative Beteiligung von Frauen gelebt wurde.

Uns Kolpinggeschwistern liegt die Kirche am Herzen. Seien wir, wie Adolph Kolping, mutig, Missstände klar zu benennen und an Reformen tatkräftig mitzuwirken.

Zentrale Themen des Konzils von unten
Beschlussvorlage zu Reformanliegen für unsere katholische Kirche

(https://www.konzil-von-unten.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/E_konzilvonunten/Beschlussvorlage_Anl.3_11.09.2022.pdf)

1. Reformen herbeiführen –
Wir brauchen ein neues Konzil der katholischen Weltkirche.

Die Weltkirche braucht wieder ein Konzil, um alle strukturellen und inhaltlichen Reformthemen aufzugreifen. In ihm können die obersten kirchlichen Amtsträger nicht unter sich bleiben, sondern es müssen Stimmberechtigte aus allen Lebensbereichen und Altersstufen vertreten sein.

2. Sprachbarrieren in der Kirche überwinden –
Wir brauchen eine verständliche und ansprechende Verkündigung.

Glaubensinhalte sowie die kirchliche und liturgische Sprache müssen für heutige Menschen aller Generationen verständlich sein, um so die christliche Botschaft zu erschließen. Hierzu bedarf es einer Vielzahl von Formen der Liturgie und Verkündigung. Der Theologie ist die Freiheit der Wissenschaft einzuräumen.

3. Machtstrukturen und die monarchische Verfassung überwinden –
Wir brauchen mehr Synodalität und Basisbezug bei Entscheidungsprozessen sowie mehr Pluralismus innerhalb der Weltkirche.

Bei der Besetzung von Bischofsämtern ist das Volk Gottes angemessen zu beteiligen und die zu Wählenden sollen auf Zeit gewählt werden. Synodale Strukturen mit Entscheidungskompetenzen sollen in den Ortskirchen (Bischofskonferenzen) gestärkt werden. In der Welt von heute ist eine pluralistische „Vielfalt in der Einheit“ angemessener als römischer Zentralismus.

4. Ungleichheit und Ungerechtigkeit überwinden –
Wir brauchen eine Gleichstellung der Geschlechter.

Der Zugang zu den Weiheämtern ist allen Geschlechtern gleichermaßen zu ermöglichen.

5. Die Verpflichtung zum Zölibat überwinden –
Wir brauchen vielfältige Zugänge zum kirchlichen Amt.

Weiheämter dürfen nicht an die zölibatäre Lebensform gebunden sein.

6. Die starre Sexualmoral der Kirche überwinden –
Wir brauchen lebbare und dem Gewissen verpflichtete moralische Orientierungen.

Die kirchliche Sexualmoral ist von der Botschaft Jesu her in einem zeitgemäßen wissenschaftlichen Kontext zu entwickeln. Kein Mensch darf auf Grund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Wiederverheiratete Geschiedene sollen in voller Gemeinschaft mit der Kirche verbleiben können, ohne vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen zu sein.

7. Die Trennung zwischen den Kirchen überwinden –
Die Zukunft des Christentums ist ökumenisch – oder gar nicht.

Ökumenische Initiativen in den Kirchengemeinden dürfen nicht von der Kirchenleitung blockiert werden. In einem ersten Schritt ist die „eucharistische Gastfreundschaft“ zuzulassen. In ökumenischer Gesinnung muss die Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit neu überdacht und die Rolle des Papstes neu bestimmt werden.

Titelfoto: Claudia Hofrichter. Alle weiteren Fotos: Gudrun Heberle

Text: Dr. Claudia Hofrichter