Die Ergenzinger Waldkapelle

Marienkapelle auch Friedenskapelle genannt

Aus der Pfarrchronik der Pfarrei Ergenzingen, Verfasser Pfarrer Alfons Leykauf 1945

In den schweren gefahrvollen Kriegsjahren, bei den vielen Verlusten, oft täglich mehrmaligen Fliegerangriffen, bei der gefährlichen Lage des Dorfes zwischen zwei Flugplätzen Eutingen und Hailfingen, in der Nähe der wichtigen Bahnlinie, die um das halbe Dorf führt, gelobte der Pfarrer, nach dem Krieg eine Marienkapelle zu bauen, wenn Maria das Dorf beschützt.
Herr Emil Weipert hat dieses schon vor Jahren angeregt und seinen Wald an der Strasse nach Eckenweiler dazu angeboten. Zugleich mit dem Dank sollte eine dauernde Erinnerung an die Marienweihe geschaffen werden, der Marienverehrung sollte neu Ausdruck und ein ständiger Anreiz gegeben und mit der Kapelle verbunden, ein Gebetsdenkmal für die Opfer des Krieges in Form eines Kreuzweges errichtet werden. Schon zu Ende des Krieges stiftete – noch unter der Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten – Metzgermeister Straub das Holz zur Kapelle, die 5 x 6 m geplant war; das Altarbild (Schutzmantelmadonna) wurde bei Heinrich Schneider, Rottenburg-Niedernau, die Kreuzwegbilder bei Prof. Wohlfart, Rottenburg, bestellt und vor dem Einmarsch fertig gestellt. Auch die Altar- und Wandleuchter wurden damals gefertigt.
Acht Tage nach dem Einmarsch ging es ans Werk unter Beteiligung der ganzen Gemeinde. Nur wenige beteiligten sich nicht. Das Fundament wurde aber 6 x 8 m für das Schiff und 3 x 2 m für den Chor ausgegraben. Alles wurde von den Dorfbewohnern aufgebracht: Baumaterial etc. Rüstig schritt der Bau voran. Plan von Maurermeister Klemens Kleindienst, der mit seinen Söhnen Klemens und Anton von Anfang bis Schluss immer bereitwillig mitgeholfen hat.
Bis zu 40 Männer arbeiteten manchmal gleichzeitig auf dem Bauplatz. Emil Weipert hat an allem das Hauptverdienst. Er besorgte unzählig viele Gänge. Da für den nun größeren Chorraum das gefertigte Altarbild zu klein war, schuf der Künstler drei Symbole aus dem Rosenkranz einen Rahmen, zugleich eine Anspielung auf die Marienweihe, die am Rosenkranzfest vollzogen wurde. Die Anregung dazu, wie zu den Inschriften am Altar und die Symbole aus der LAURENTANISCHEN LITANEI, die er stiftete gab H.H. Domkapitular SEDELMEIER.
Die ersten Spender, die den Bau mit dem Vorschuss von Backsteinen ermöglichten, waren die beiden ledigen Schwestern Weipert, genannt „Gabriels“.
Maurer, die beinahe alle unentgeltlich gearbeitet haben, waren: Klemens Kleindienst, Johannes Breuling, Nisch, Ackermann, Teuschle, Weipert, Bader, Weimer und Seitz, Eckenweiler. Zimmerleute: Schäfer, Pekari, Grammer. Schreiner: Lorenz Weipert. Glaser: Josef Grammer. Gipser: Johannes Weipert, August Baur. Maler: Wilhelm Grammer. Handlanger: besonders Josef Baur und August Branz, Stud. theol. Alfred Baur, auch H. H. P. Untergehrer aus Botnang-Stuttgart. Die Pferde- und Ochsen- besitzer stellten gratis die Fuhrwerke, Johannes Nisch gratis den Sand. Katholiken und Protestanten gaben und halfen gleichmäßig am Bau.

Kapellenweihe

Am 16. Sept. 1945 konnte die fertige Kapelle zur Freude aller von H. H. Domkapitular Wernado mit Predigt und levitiertem Hochamt benediziert werden unter großer Beteiligung von ganz Ergenzingen und Umgebung. Festessen war im Pfarrhaus. Nachmittags 3 Uhr versammelten sich nochmals alle bei der Kapelle. Zur Weihe des Kreuzweges durch H. H. Seelsorgeamt-Direktor Weitmann, Rottenburg.
Ergenzingen dürfte das 1. Kriegerdenkmal nach diesem Krieg in Deutschland haben. (Die Vorhalle zur Kapelle, von Anfang an geplant, wurde im Herbst 1946 errichtet). Alle Kosten wurden durch freiwillige Gaben gedeckt.
Gleich im Herbst wurde viel in der Kapelle gebetet. Sie ist ein Anziehungspunkt für nah und fern. Im November wurde dort mit Mitwirkung des Kirchenchors und der Musikkapelle, die auch bei der Kapellenweihe eifrig mitwirkten, eine Totenfeier gehalten für die Gefallenen und Opfer des Krieges.

Im Laufe des Jahres wurden von Schneider für die beiden Seiten des Chorbogens in Holz Reliefs gestaltet: der Hl. JOSEF - (Weihe des Bildes 19. März 1946 mit großer Beteiligung der Gemeinde und Festpredigt durch H.H. P. Stegmaier, Botnang) - dargestellt als Handwerker mit Lederschurz, derb, kräftig, mit um das Geheimnis des Pflegesohnes wissenden Augen, Jesus und Kirche schützender Hand – und doch ganz selbst zurücktretend, Hintergrund bildend, als selbstverständliche Voraussetzung die Lilie der Reinheit haltend.
Als Gegenstück zum typischen Mann (St. Josef) ist genau auf der Evangelistenseite St. ELISABETH, eine adelige Gestalt, die ganz Mütterlichkeit ist, Brot und Kleid den Armen schenkend, als Vorbild für die heutige Notzeit.

Die SCHUTZMANTELMADONNA

zeigt Maria in schützender, segnender und zum Himmel weisender Haltung. Das Weimer’sche Fachwerkhaus als Vertreter des Dorfes, alter Frau (betend), junge Mutter mit Kind; auf der anderen Seite: Bauer mit Garbe und Ochs und junger Mann (Soldat) in kniender Haltung unter ihrem Mantel bergend. Maria selbst als hoheitsvolle Gestalt dargestellt.
Das Mittelstück kostete 1.200,00 RM, die drei Engelpaare zusammen 600,00 RM, das Altarkreuz (auch von Schneider) 80,00 RM. Altarstein-Bearbeitung 350,00 RM; Material dazu waren drei Grabsteine und eine alte Brunnenplatte. Die Bildstöckle für den Kreuzweg kosteten 300,00 RM. Die Bodenplatten lieferte Queck, Tübingen, das Holz für die Bänke Walz, Hochdorf. Die Kreuzwegbilder kosteten 3.000,00 RM. St. Josef- und St. Elisabethfiguren kosten je 600,00 RM. Das Holz zur Kapelle ist das Panzer-Sperrholz, das die Gemeinde nach dem Einmarsch gratis zur Verfügung gestellt hat.

Kreuzweg mit den Namen der Kriegsopfer

Das Feldkreuz am Fuße des Kreuzweges stiftete Josef Nisch (Jäger). Es war vorher an seinem Acker, Bondorf zu gestanden. Männer brachten es in die Kirche und bereiteten den heutigen Stand vor. Am Fest Kreuzauffindung – 3. Mai 1945 – hielten wir ein feierliches Amt mit Predigt und die ganze Gemeinde ging in feierlicher Prozession zum Wald, wobei zwölf Männer das Kreuz auf einem Wagen zogen und draußen unter dem Lied „Des Königs Fahne schwebt empor“ aufrichteten.
Es hat sich die Gewohnheit gebildet, jeden Sonntagnachmittag in der Kapelle zwischen 3 bis 5 Uhr einen Rosenkranz zu beten, in der Fastenzeit ist zweimal wöchentlich Kreuzwegandacht draußen, zweimal in der Kirche.
Die Marienverehrung hat durch die Kapelle einen Aufschwung genommen, besonders die Männer besuchen sie gern.
(Aus der Pfarrchronik entnommen von Klara Kreidler und Alfons Urban)

Unsere Waldkapelle

Du Pforte des Himmels

Christus ist Eingang und Ausgang. Durch Maria, die Pforte, ist er in die Welt eingetreten, um uns Menschen zum Vater heimzuholen. Durch Maria tritt er, längst zur Rechten des Vaters sitzend, in seinen Brüdern und Schwestern, den Kindern der Kirche, den Gliedern seines mystischen Leibes, die in Maria ihren Leitstern fanden, doch immer wieder gleichsam zum Vater zurück.

"Ianua caeli", Pforte des Himmels zeichnet nicht einfach ein schönes Meditationsbild. Die Anrufung stellt uns Verheißung und Mahnung dar. Im Maria wird in Gebeten oft „offene Pforte des Himmels“ genannt. Das ruft uns ins Gedächtnis, dass sich bis zur letzten Sekunde unseres Lebens der Himmel uns nicht verschließt; dass Heilszeit bis zum letzten Gedanken, bis zur letzten bewussten Regung unseres Erdenlebens ist. Bis dahin können wir mit Gottes Gnade den Himmel gewinnen. Wir können ihn aber auch in Gottvergessenheit und Trägheit verspielen. Die allzeit offene "ianua caeli" lässt uns daran denken, wann die Pforten des römischen Ianustempels geöffnet waren: in den Zeiten des Krieges, den Zeiten härtester Bewährung. Unser Kampf gilt nach den Worten des Apostels nicht Menschen aus Fleisch und Blut, sondern den Fürsten und Gewalten eines anderen Bereichs, die uns von Gott abziehen wollen (vgl. Eph 6,12) - und er gilt unserem kleinlichen Denken, unserer Dummheit und Bequemlichkeit, die uns auf ihre dunklen Absichten immer wieder eingehen lassen.

Die offene Pforte des Himmels für andere sein – eine Haltung meines Glaubens?

An unserer Waldkapelle sind marianische Symbole aus der lauretanischen Litanei angebracht, die uns in diesem Jahr des Glaubens besonders ins Auge stechen. Ich lade Sie ein, mit mir auf die Entdeckung dieser Symbole zu gehen.

Du goldenes Haus

Mit dem ersten Gold der Neuen Welt wurde in Rom die Kirche Santa Maria Maggiore zu einem wahrhaft goldenen Haus, dass uns an die Anrufung "Domus aurea" der Lauretanischen Litanei erinnert. Im Grunde ist jede Kirche ein Gleichnisbild für die Gottesmutter. Denn in allen Tabernakeln der wohnt in der Brotsgestalt der, den Maria einst unter ihrem Herzen trug. Aller Goldschmuck unserer Gotteshäuser aber stellt ein Gleichnis für die Gnaden und Tugenden Mariens dar, die, mit ihnen geziert, Jesus Christus eine würdige Wohnung sein konnte.

Der eigentliche Goldschmuck, der wahre Wert unseres Lebens ist es, wenn Jesus Christus, Gott selbst, in unser Leben einzieht. In der heiligen Kommunion will der Herr auch in unseren Herzen sein Zelt aufschlagen. Bieten wir ihm erträgliche "Wohnbedingungen"? Auch wenn wir auf Erden nie so sein können wie Maria - ein wenig mehr an Goldschmuck eines vermehrten Tugendstrebens anzulegen, wäre sicher kein Fehler.

Ich selbst bin das goldene Haus – eine Haltung meines Glaubens?

Du Bundeslade Gottes

Wie herrlich wird im Alten Bund die kunstvolle Lade beschrieben, in der Israel die Gesetzestafeln vom Sinai birgt (vgl. Ex 25,10-22). Die Tafeln des Bundes sind die grosse Urkunde, die die Treue Gottes mit seinem Volk besiegelt. Der Herr will allzeit bei seinen Auserwählten sein, die auf diese Treue nur im Gehorsam auf seine Gebote antworten brauchen. Gottes Gebote - fern, davon einzuschränken und einzuschnüren - wollen vielmehr die wahre Freiheit der Israeliten schützen. Höchste Ehrfurcht kommt dieser Lade zu. Im letzten gilt sie dem Allerheiligsten, das sie birgt. David, der große König, tanzt vor der Bundeslade in tiefer, frommer Ergriffenheit (vgl. 2 Sam 6,14). Wie groß aber war die Trauer des auserwählten Volkes, als die Lade bei Aphek in die Hände der Philister fiel (vgl. 1 Sam 12-22).

Maria ist die Lade des Neuen Bundes. Maria ist nicht selbst der Neue Bund. Und Christus ist auch nicht ohne die "Lade" zu haben.

Christus braucht uns Christen, als erste Maria, dass er sich den Menschen nähern kann – eine Haltung meines Glaubens?

Du geheimnisvolle Rose

Blumen sind Elemente von Gottes schöpferischer Poesie, und die Welt wäre arm, wenn es die Flora nicht gäbe. Menschen bereiten einander Freude, wenn sie Blumen schenken, denn es gibt kaum einen, der Blumen nicht mag. Sie bringen ihre Gefühle mit Blumen zum Ausdruck. Die Blüte wird zur Illustration oder sogar zum nonverbalen Ersatz dessen, was man dem Beschenkten in je eigenen Varianten sagt (oder sich nicht zu sagen traut): "Ich mag dich."

Es ist eine besondere Liebeserklärung der Christenheit an die Gottesmutter, wenn wir nicht nur ihre Bilder mit Blumenschmuck verzieren, sondern die schönsten Pflanzen aus Gottes Garten zu ihr in Beziehung setzen, zu ihren Gleichnissen werden lassen: Veilchen, Lilie und Rose. Ein stilles Einverständnis scheint im Abendland darüber zu bestehen, dass gerade letztere, die Rose, die Königin der Blumen ist. Die Erklärung dafür liegt in der Pracht ihrer leuchtenden Farben, in der Schönheit ihres Blütenkelches, in ihrer vornehmen Gestalt.

Das Geheimnis der Rose ist das Geheimnis der Liebe Gottes, die sich an sie nicht vergebens verschenkte.

Wie eine Rose sein – eine Haltung meines Glaubens?

Du elfenbeinerner Turm

"Elfenbeinerner Turm" wird die Gottesmutter Maria genannt. Elfenbein ist kein besonders hartes, aber dennoch ein "wehrhaftes" Material. Kommt das nicht der Gottesbeziehung Mariens gleich? Nichts konnte sich zwischen sie und Gott drängen. Diese Haltung Mariens, ist ein Anruf an uns. Wenn wir es Maria auch nie gleichtun können, können wir uns bemühen, ihr so nahe wie nur möglich zu kommen.

Elfenbein ist aber auch wegen seiner Schönheit, seiner edlen Farbe, ein bemerkenswerter Stoff. Die Lebenshaltung Mariens spiegelt feste Widerständigkeit gegen das Böse und ihre Stehen im Guten. 

Zu Maria gehört nicht nur das Wehrhafte, sondern auch das Liebende, jene Haltung, die sie um einer Menschheit willen ihr Ja zu Gottes Plan sprechen und ihr Leben lang bewähren ließ.

Wie Elfenbein sein… eine Haltung meines Glaubens?

Du Morgenstern

Wie die Stella matutina – der Morgenstern, der am Morgen besonders hell und glänzend leuchtet und dem Betrachter des Himmels sofort in die Augen fällt, so wird Maria als jene Heilige gesehen, die alle anderen „Himmelslichter“ überstrahlt und einen neuen Tag ankündigt. Die Nacht ist vorüber mit ihrem Schrecken, ihrer Dunkelheit, ihrer Ungewissheit. Ein neuer Tag, ein neues Leben erwacht, wenn wir unser Leben auf Christus entwerfen. Wir brauchen immer wieder diese Sternerfahrung, damit wir unser Leben auf guten Grund, auf das Licht bauen können.

Sei wie der Morgenstern – voll Hoffnung und Licht! – eine Haltung meines Glaubens?