Impuls der Kolpingsfamilie zum 1. Advent 2021: Zurück in die Zukunft

„Zurück in die Zukunft!“ – Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Einige erinnern sich vielleicht noch an diese Science-Fiction-Film-Triologie aus den 1980-er-Jahren. Da geht es um die Geschichte des Jugendlichen Marty McFly, der mit Hilfe einer Zeitmaschine die Vergangenheit neu schreiben und die Zukunft steuern will. Es kommt zu vielen Verwicklungen und die Geschichte nimmt immer wieder ungewöhnliche Wendungen. Der Film parodiert etwas von unserer Art zu leben. Wir schauen gerne zurück und erzählen die Geschichten vergangener Tage, wir wüssten auch gerne, wie unser weiteres Leben aussieht, wir planen und jagen unserem Glück nach.

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Die Adventszeit ist so etwas wie ein Weg „zurück in die Zukunft“. Wir hören die Verheißungen der Propheten, wir hören die Perspektiven der Evangelien. Lasst euch heute hineinnehmen in die Verheißungen des Advent, in diesen Weg „zurück in die Zukunft“.

Wenn ich zurückdenke, dann bin ich so froh, dass meine Tochter den Unfall gut überstanden hat. Da muss ein Schutzengel dabei gewesen sein.
Wenn ich zurückdenke, dann wird mir erst bewusst wie viel Glück ich im Leben hatte. Genau genommen ging es mir doch meistens gut.
Oder so:
Ich würde die Zeit noch einmal gerne zurückdrehen, wenn ich könnte.
Ich würde gerne noch einmal neu anfangen können und manches anders machen.
Ich würde gerne die Fehlentscheidungen meines Lebens rückgängig machen.
Ich wäre froh gewesen, wenn es für meine Frau eine Rettung gegeben hätte. Ich bin so dankbar für die glückliche Zeit miteinander.

Liebe Kolpinggeschwister,

kennt Ihr solche Zeitreisen in die Vergangenheit? Seid Ihr immer wieder einmal überrascht wie nahe euch die Erfahrungen der Vergangenheit sind? Wie sehr sie euch beschäftigen? Ich selbst spüre, dass ich manchmal gerne denke – Gott sei Dank noch nicht sage: „Wenn du mal in mein Alter kommst …“ oder „Wenn du meine Erfahrung hättest …“ Wir gehen gern auf Zeitreise – sowohl zurück in die Vergangenheit und ebenso in die Zukunft, wenn es um unsere Sehnsucht nach einem glücklichen Leben geht.

Im Advent tun wir genau das auch: wir begeben uns auf eine Zeitreise. Es scheint ein urmenschliches Bedürfnis zu sein, aus den guten und schweren Erinnerungen eine Kraft und Energie zu schöpfen, die uns beflügelt. In diesen kommenden Wochen gehen wir zurück in die Zeit der Verheißungen, in die Zeit der Propheten. Jeremia erinnert die Menschen seiner Zeit an das Versprechen Gottes, einen Retter zu schicken, der die Verbannten aus dem Exil in die Heimat zurückführen wird. Doch dieser Retter lässt auf dich warten. Die Menschen damals müssen sich weiter auf die eindringliche Erinnerung des Propheten Jeremia an Gottes Versprechen verlassen. Aus dieser Hoffnung leben sie. Aus dieser Hoffnung heraus versuchen sie ihre Situation zu verstehen. Wenn es ums Ganze geht, wenn es um Gegenwart und Zukunft geht, dann lässt man keine billigen Versprechungen gelten. Dann geht es um die Frage, was trägt mich und wo stehe ich, was führt mich in die Zukunft. Schnell wird spürbar, dass nichts, was es rings um uns gibt, wirklich trägt und verlässlich ist. Die Zeichen an Sonne, Mond und Sternen und das Toben und Donnern des Meeres, von denen das Evangelium spricht, sie deuten an, dass die ganze Welt keinen sicheren Boden und kein festes Dach über dem Kopf gewährt. Sie ahnen: Wie immer in der Bibel steht das, was erzählt wird, für die inneren Dinge, um die es geht. Im Evangelium ist das die Angst. Die Angst vor dem Chaos, das einem atemlos macht und den Boden unter den Füßen wegzieht. – Was trägt dann?

Zurück in die Zukunft: Sich erinnern und hoffen und warten. Würde euch das ausreichen, um die missliche Gegenwart auszuhalten? Und wenn ja wie lange? Vielleicht kennt Ihr solche Gedanken von sich wie „Im Nachhinein wurde mir klar …“ oder „Jetzt verstehe ich …“. Bis man zu einer solchen Einsicht kommt, dauert es oft lange, manchmal Jahre. Viele Menschen kennen diese Erfahrung. Ich glaube, fast jede und jeder unter uns kennt sie.

Im Moment leben wir ja in einer Zeit des Katastrophenalarms. Die Welt ist durcheinander geraten. Die Spannungen zwischen den Völkern. Unsere Gesellschaft werde durch die Coronapolitik gespalten. Der Klimawandel bedroht unseren Planeten. Europa sucht seinen Weg aus verschiedenen Krisen. Über 80 Mio Menschen sind auf der Flucht. Es fühlt sich ein wenig so an als würde der Himmel einstürzen.

Zurück in die Zukunft – dieser Gedanke schenkt mir eine Perspektive. Nein, der Menschensohn ist bisher nicht wiedergekommen, weder nach der Ankündigung des Evangelisten Lukas noch nach heutigen Lebensstürmen. Gibt es dann überhaupt einen Grund, sich aufzurichten und das Haupt zu erheben? – Genau da greift der Gedanke „zurück in die Zukunft“. Da tragen dann doch die Erinnerungen an die vielen Menschen, die sich von ihrem Schicksal haben nicht niederdrücken lassen, die neu angefangen haben – z.B. nach der Flucht in ein neues Land. Da tragen die Erinnerungen an Menschen, die ihrer Trauer über den Verlust der eigenen Gesundheit oder eines Angehörigen wieder aufstehen und mit neuem Mut durchs Leben gehen. Da trägt die Erfahrung von Menschen, die den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern weiter aktiv daran arbeiten, dass unser Planet für die nächsten Generationen noch ein guter Ort sein wird.

Zurück in die Zukunft – Ihr spürt, dass wir aus der Vergangenheit Gegenwart und Zukunft verstehen und gestalten. Die Lösung, die Lukas uns in den Worten Jesu anbietet, klingt einfach und ein wenig zu fromm: Wacht und betet allezeit. Das heißt nichts anderes als mit wachen Augen die Situation anschauen, sich nicht verwirren lassen und mit Gottvertrauen sich den Dingen stellen.

Dieser erste Advent führt uns nüchtern in die kommenden Wochen und lässt uns erst gar nicht in die Kuschelecke des heimeligen Advent rutschen. Er führt uns zurück in die Zukunft. Zurück zu den Verheißungen der Propheten, zurück zu unseren Erfahrungen, wie wir mit den Zumutungen des Lebens bisher umgegangen sind. Dieser erste Advent  stellt unsere Füße in diese doch gebeutelte Gegenwart, die uns atemlos werden lässt, die uns an unsere Grenzen bringt mit all den schwierigen Nachrichten Tag für Tag, mit den vielen ungelösten Themen, die im Koalitionsvertrag der Ampelregierung formuliert sind, mit der Angst, dass in einigen Regionen Deutschlands demnächst Triageentscheidungen gefällt werden müssen. Dieser erste Advent führt uns auch hinein in die Zukunft mit dem Menschensohn Jesus, der uns zuruft: „Schaut nicht auf ständig das, was vergeht, sondern erwartet zuversichtlich, was kommt.“ Auch diese Verheißung mutet uns etwas zu –nämlich dieses: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter.“